Auf den Spuren deutscher Grenzgeschichte

Auf den Spuren deutscher Grenzgeschichte

Wir hören nichts außer dem Rascheln des Laubs unter unseren Füßen. Mit jedem Schritt graben sich unsere Wanderschuhe tiefer in den feuchten Waldboden. Die kahlen Bäume wippen im Rhythmus des Windes, der durch die Kronen streift. Es knackt im Unterholz, ein paar Meter weiter raschelt es verhalten hinter einer kleinen Gruppe von Büschen. Und doch ist die Stille unser einziger Begleiter an diesem trüben Tag. Nebel breitet sich aus und umhüllt den Wald wie eine unsichtbare Hand. Wir frösteln ein wenig und ziehen uns die Kapuzen tiefer ins Gesicht.

Erinnerungen an vergangene Zeiten

Wir sind im Lappwald unterwegs. Dieser 20 Kilometer lange und bis zu 5 Kilometer breite Höhenzug erstreckt sich von Helmstedt aus nach Norden. Es ist ein Wald mit Geschichte, denn durch dieses Gebiet verlief 40 Jahre lang die innerdeutsche Grenze. Dieser Bereich erstreckte sich mitten durch den Wald und war seitens der DDR sehr gut gesichert. Grenztruppen der DDR patrouillierten auf ihrer Seite des Zaunes unentwegt und verhinderten die Flucht von Ost nach West. Viele Enteignungen und Fluchtversuche forderten in dieser dunklen Zeit viele Opfer. Auch heute noch verläuft die Grenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt durch das Waldgebiet. Die Grenzen sind aber zum Glück fließend und außer einer Schneise aus gespenstisch wirkenden Birken erinnert nichts mehr an die grausame Zeit an der Demarkationslinie.

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Immer an der Grenze führt uns der Weg entlang. Mal sind wir im Osten und dann wieder im Westen. Heute erinnern nur noch Schilder an die Teilung.

Dennoch dürfen wir nicht vergessen. Wir sollen uns erinnern. Der Verein Grenzenlos, Wege zum Nachbarn e.V., hat es gemeinsam mit der Stadt Helmstedt geschafft, am 9. November 2015 einen Grenzlehrpfad zu eröffnen, der einen Perspektivwechsel von Ost nach West und umgekehrt ermöglichen soll. Der etwa ein Kilometer lange Lehrpfad führt nicht nur durch den ehemaligen Grenzbereich, sondern erzählt auch Geschichten der Menschen, die unmittelbar an und mit dieser Grenze leben mussten. Zwölf anschauliche Tafeln mit vielen Informationen, Geschichten und Bildern, die wahrlich unter die Haut gehen, begleiten uns auf dem Weg.

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Informationstafeln vermitteln ein sehr detailliertes Bild von dem, was sich hier vor nicht allzu langer Zeit abgespielt hat.

Der Rundweg liegt zwischen Bad Helmstedt und Beendorf oberhalb der Landstraße 642. Günstige Ausgangspunkte sind die Parkplätze „Gedenkstein Beendorf“ (direkt am Ortseingangsschild aus Bad Helmstedt kommend) und „Clarabad“ in Bad Helmstedt. Von beiden Parkplätzen aus folgt man den Wegweisern zur Brücke Mühlenbach, an der der Grenzlehrpfad beginnt. (Wer am „Gedenkstein Beendorf“ parkt, sieht bereits das Informationsschild Nr. 12 vom Lehrpfad. Zum Anfangspunkt des Rundweges folgt man einem kleinen Trampelpfad an der Landstraße in Richtung Bad Helmstedt und biegt nach etwa 150 Metern links in den Wald ab, wo man die Brücke schon von der Straße aus sieht.)

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Direkt am Ortseingang des beschaulichen Ortes Beendorf kann man sein Auto stehen lassen und zum Einstieg des Grenzlehrpfades laufen.

Der Grenzlehrpfad kann auf eigene Faust erkundet werden. Durch die Tafeln nimmt man viele Informationen im Vorbeigehen mit. Der Verein Grenzenlos bietet auf seiner Homepage allerdings einen Audio-Walk an, den man sich von unterwegs oder vorab zuhause bequem auf sein Handy laden kann. Neben einer kleinen Geschichte, bei der man hautnah an den Protagonisten dran ist, vermittelt er alle wichtigen Informationen und blendet Originalgeräusche und Stimmen ein, sodass der etwa 18-minütige Sparziergang zu einem audio-visuellen Erlebnis wird.

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Der Grenzlehrpfad zwischen Beendorf und Bad Helmstedt ist gut ausgeschildert. Wir haben am Gedenkstein Wiedervereinigung geparkt und sind bis zum Startpunkt gelaufen.
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Von der Straße kommend folgen wir dem Waldweg und kommen über eine Brücke, hinter der der Grenzlehrpfad beginnt. Von Weitem sehen wir die erste Infotafel.
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An der Grenzlinie, die komplett abgeholzt wurde, wachsen nun wieder Bäume. Die Birken sind noch relativ klein, vermitteln jedoch Zuversicht. Die Natur holt sich alles wieder.
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Der Tag ist trüb und grau. Beinahne gespenstisch. Auf den Tafeln lesen wir Geschichten über die Schicksale der Menschen dieser Grenzregion. Die Leute wurden vertrieben und mussten woanders von vorne anfangen. Eine Grundbesitzerin kam erst Jahrzehnte später wieder zurück auf ihren Hof. Kurz darauf starb sie…

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7 Kommentare

  1. im gründungsjahr beider deutscher staaten bin auch ich geboren und wohnte sowohl in west berlin wie im harz direkt an der grenze. ich hab den eindruck, das mein persönliches erinner daran ein anderes ist als das offizielle. da gibt es jede menge geschichten, die erzählt werden könnten. möglicherweise hast du mich angeregt, es mal zu versuchen. wobei die gefahr besteht, dass es durchaus gewisse kollisionen mit der oben erwähnten offiziellen erinnerungskultur geben könnte..,

    • Moin.
      Ich glaube, jeder der mit “89” irgendwie zu tun hatte, kann seine Geschichten erzählen. Meine wären a) die mit der Verwandten im “Osten” vor 89 und b) die im Rahmen von dienstlichen Abordnungen nach 89. Oh ja … 😉
      Viele Grüße

  2. Hallo Maddie, Dein Blog gefällt mir so gut, dass wir ihn unter “hier schnüffeln wir in der Freizeit” verlinkt habe. Das ist meine bevorzugte Art des folgens. 🙂
    Auch wir wohnen nicht weit von der ehemaligen innerdeutschen Grenze, obwohl sie seit mehr als 20 Jahren offiziell nicht mehr existiert, hat sie doch bis heute bei den Menschen und in der Landschaft Spuren hinterlassen. Ich glaube ich werde auch mal einen Ost-West-oder-Ganz-Artikel schreiben….Viele Grüße von Ulrike aus dem Isidogblog Rudel.

    • Liebe Ulrike,
      wow, tausend Dank für die große Ehre! Das freut mich jetzt wirklich ganz doll. 🙂
      Klasse, auf deine Grenzberichte bin ich schon gespannt. Die Zeit heilt nur langsam alle Wunden und Spuren, die die deutsche Geschichte hinterlassen hat. Auch wenn viele von uns gar nicht mehr direkt davon betroffen sind, dürfen wir unsere Vergangenheit nicht vergessen. Und genau daraus sollten wir Kraft und Zuversicht für die Zukunft schöpfen.
      Alles Gute wünsche ich dir und deiner Rasselbande und herzliche Grüße aus dem Harz,
      Maddie

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