Stadt oder Land? (Ein Dorfkind mit Großstadt-Phobie)

Stadt oder Land? (Ein Dorfkind mit Großstadt-Phobie)

Wie passend, dass sich mein erster Beitrag zur Blogparade der lieben Ilona von wandernd um das häufig kontrovers diskutierte Thema „Stadt oder Land?“ dreht. Außer der weltbewegenden Frage, was zuerst da war (Huhn oder das Ei?) wird meines Empfindens nach keine Frage häufiger gestellt als „Stadt oder Land?“. Und spätestens wenn sich alles ums Thema Reiseplanung dreht, sorgt diese eine Frage oftmals dafür, dass nicht nur der Haussegen schief hängt, sondern auch, dass man nach gefühlten acht Stunden Endlosdiskussion immer noch keine Idee hat, wo der nächste Urlaub hingehen soll.

In der Stadt geboren

Auch auf die Vermutung hin, dass ich in diesem Punkt wahrscheinlich enttäuschen muss: Nein, bei uns war das nie so. Ich bin als behütetes Einzelkind in Braunschweig geboren. Mit ihren rund 250.000 Einwohnern zählt Braunschweig schon zu den Großstädten und ist sogar die zweitgrößte Stadt Niedersachsens (nach der Landeshauptstadt Hannover natürlich). Von dieser Zeit als „Big City Girl“ habe ich allerdings nur wenig mitbekommen, weil wir genau passend zu meiner Einschulung aufs Land gezogen sind.

Meine Heimat sollte in den kommenden 14 Jahren ein kleines 2000-Seelen-Dorf im Herzen des Landkreises Peine werden. Und genau das war auch gut so. Ich bereue bis heute keinen Tag im Leben meines Dorfkind-Seins. Ich habe diese Freiheit immer genossen. In den Sommerferien ging ich früh morgens direkt zur besten Freundin, mit den Fahrrädern sind wir dann auf endlos langen Feldwegen gefahren und konnten auch abends noch bis in die Nacht auf der Straße spielen, ohne dass etwas passiert ist. Alle Nachbarn kannten sich, wussten genau, wann wer und wo einkaufen fährt (im Dorf selber gab es keinen Supermarkt, Dorf halt!) und wann abends die Rolladen runtergehen. Es wurde einfach viel auf den anderen geachtet. Als Kind hatte man jede Freiheit der Welt und wusste auch irgendwie besser über Trecker als über Autos Bescheid. Und ich wusste definitiv, dass Kühe nicht lila sind.

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Kühe gehören übrigens auch heute noch zu meinen Lieblings-Fotomotiven. Aber Milka mag ich auch.

Im Laufe der Zeit hat sich an meiner positiven Einstellung zum Landleben nichts geändert. Viele meiner Freunde verfluchten die Abgeschiedenheit, insbesondere als wir in ein Alter kamen, in dem ausgelassene Kneipentouren und Shoppingausflüge wichtiger wurden, als der Bauer um die Ecke. Ich hatte jedoch das Glück, dass meine Mädels und ich immer das Beste aus der Situation gemacht haben. Wir nahmen einfach eine längere Fahrt mit dem Auto oder Zug in Kauf, um Braunschweig zu erreichen und kamen mit dem ersten Bus morgens wieder zurück. Den restlichen Tag über waren wir froh, wieder die alten Dorfkinder zu sein und gönnten unseren bass- und technogeschädigten Ohren eine Auszeit am nahe gelegenen See. Klingt perfekt, war es auch.

Dorfkind entdeckt die Welt

Je erwachsener ich wurde, desto neugieriger wurde ich aber auch auf andere Großstädte außerhalb meines Heimathafens Braunschweig. Ich wollte zwar nach wie vor nicht in einer großen Stadt leben, war aber gespannt, mal einen Blick in diese mir völlig neue Welt zu werfen. Ich wohnte zu diesem Zeitpunkt in Clausthal-Zellerfeld im Harz, wo ich mein BWL-Studium absolvierte. Für mich war es eine vollkommen neue Erfahrung, dass es dort wirklich Supermärkte gab, die fußläufig zu erreichen waren. Getrieben von meiner Neugier und Wissbegierde, machte ich mich also mit Freunden oder meiner Familie auf die Reise. Ich besuchte Berlin, Basel, Hamburg, Meran, Athen, Leipzig, Freiburg, München, Nürnberg und viele weitere… Es war eine komplett andere Welt: teilweise laut und hip, aber auch unfassbar unruhig und hektisch.

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Noch nicht mal auf dem Rathausturm hatte man seine Ruhe. Viele andere Touristen und Einheimische wollten den schönen Blick auf München und die Frauenkirche genießen. Na gut, ist aber auch verständlich…

Stadt bedeutet für mich nicht zwangsläufig Unruhe, aber immer ein stückweit Stress und Hektik. Das gibt es auf dem Land auch, aber es scheint mir dort irgendwie gesünder zu sein. Mittlerweile lebe ich in der Kreisstadt Goslar, dem Tor zum Harz. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich die Berge erst hinter Reihen von Häusern. Es ist schön und hat Charme in der Altstadt zu wohnen, fußläufig in die Innenstadt, aber dennoch mit eigenem Garten. Doch viele der 51.000 Einwohner trifft man eben auch in der Stadt oder beim Einkaufen. Es ist jedoch weitaus anonymer als auf dem Land. Ich kenne noch nicht einmal alle meine direkten Nachbarn und das einzig Bekannte im Supermarkt sind die Kassierer.

Der perfekte Urlaub

Mein perfekter Urlaub ist eine gute Mischung aus Provinz und Citylife, ungefähr im Verhältnis 90:10. Ich liebe es einfach eine landschaftlich tolle Region zu besuchen (Beispiel: Südtirol), in einem kleinen Dörfchen total ruhig untergebracht zu sein und von dort aus auf Wanderschaft zu gehen. Mindestens zwei bis drei gute Wanderungen sind Pflicht, aber ebenso zwei bis drei tolle Sightseeing-Tage, an denen man vom Auto oder Radl aus die Gegend erkundet, Touri-Anlaufstellen abhakt und seine eigenen Schätze beim Reisen findet. Und ein Tag, aber wirklich nur ein Tag, wird dazu genutzt, um die nächst größere Stadt unsicher zu machen, die größte Kirche dort besucht, sich in der Innenstadt durch die Menschenmassen schiebt und völlig entkräftet in einem überteuerten Restaurant in absolut bester Lage ein zähes Steak isst. Beim Bezahlen der Parkgebühren bricht dann der nächste Familienstreit aus, der aber kurze Zeit später vom Fluchen des Fahrers abgelöst wird, der trotz Navi falsch abgebogen ist. Hätte man die Klimaanlage doch besser vor dem Urlaub reparieren lassen. Oh du fröhliche Urlaubszeit!

Ich bin ein Landei. Aber ich stehe dazu. In großen Städten verliere ich die Orientierung und werde panisch, während ich in allen Wandergebieten den Überblick behalte. Und wenn ich groß bin, will ich wieder im kleinsten Kuhdorf leben.

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So gefällt mir das: Nachbarn in der Nähe, aber nicht so unmittelbar, als dass man aufs Mittagessen von Heinz-Otto starren könnte. Fréland im Elsass ist für mich so ein Ort, in dem ich gerne wohnen wollen würde.
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Hier in Goslar fahre ich im Sommer oft mit dem Rad auf eine kleine Anhöhe und betrachte die städtische Hektik einfach mal von weiter oben aus. So lässt es sich perfekt abschalten und ist für mich ein guter Kompromiss zum Leben mitten in der City.
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Zum Glück bietet der Harz, meine Wahlheimat, zahlreiche wundervolle Plätze, an denen man die Seele baumeln lassen kann, wie hier frühmorgens am Oderteich.

 

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11 Kommentare

  1. Hey Maddie,

    du sprichst mir aus der Seele. Es ist so, wie du es geschrieben hast. Übrigens bin ich auch in BS geboren, habe 4 Jahre in Hondelage gewohnt und bin dann mit meiner Familie nach Amerika gezogen. 1986 ging es dann wieder zurück, nun in den Harz nach Wolfshagen. Bald 20 Jahre habe ich dort gewohnt um danach einen schönen Ort im LK Hildesheim kennen zu lernen…. 🙂

    • Ingo, ich grüße dich! 🙂 Vielen Dank für deine liebe Rückmeldung. Mensch, da hast du ja auch schon einiges hinter dir. Amerika klingt ja sooo cool, aber der Harz ist doch auch schön! 😉 Liebe Grüße, Maddie

  2. Danke, dass Du mitgemacht hast – auch wenn ich vieles natürlich ganz anders sehe, so als gebürtige Kleinstädterin mit Städterseele 😀 Ist natürlich ein Unterschied, ob man in der Stadt wohnt oder sie “nur” besucht. Denn im Alltag komme ich auch nicht ständig in die Münchner Innenstadt (zum Glück 😀 ). Auf dem Land war es das Gleiche bei mir: Dort Urlaub mache ich schrecklich gerne, aber dort Leben ist halt auch wieder was anderes.

    LG, Ilona

  3. Musste gerade bei dem Satz mit der Klimaanlage im Urlaub etwas schmunzeln – das kommt mir doch sehr bekannt vor 🙂
    Bin zwar auch auf dem Dorf aufgewachsen und war dort sehr glücklich, bin aber jetzt mit dem Stadtleben auch sehr zufrieden und rege mich trotzdem jedes mal wieder auf, wenn ich durch “mein” Dorf gehe und niemanden kenne und die ganzen “Zugezogenen” nicht Grüßen – früher war das anders^^- geht im Übrigen auch allen meinen Freunden. Es ist also doch so: Einmal Dorfkind, immer Dorfkind (auch wenn man mittlerweile dort wohnt, wo es rund um die Uhr Lebensmittel zu kaufen gibt 😉 )

  4. Liebe Maddie,
    ich bin ja in einer Kleinstadt aufgewachsen. Wobei das Leben dort in der damaligen Zeit nicht so unterschiedlich war. In meiner näheren Umgebung kannte jeder jeden. Dann habe ich lange Zeit in einem Dorf gewohnt. Es ist nicht so einfach, sich in das Leben der Bewohner zu integrieren. Grüßen klar, selbstverständlich. Die meiste Zeit war ich jedoch auf der Arbeit. Außer dem Bäcker, Postboten und den direkten Nachbarn kannte ich niemanden. Da hätte ich schon in einen Verein gehen müssen. In einer Kleinstadt hast du beides, ein ruhiges Leben und etwas Abwechslung. Zu gerne würde ich einmal das Leben in der Großstadt probieren.

    Die stimmungsvollen Fotos auf deiner Seite gefallen mir richtig gut!

    Liebe Grüße
    Renate

    • Liebe Renate,
      vielen Dank für dein Feedback. Das ist spannend zu lesen und so viele unterschiedliche, aber dennoch im Kern ähnliche Meinungen zu erhalten. Du hast schon recht, dass besonders Integration schwierig ist. Das ist es aber sogar in einer Großstadt. Ich habe erst heute Abend eine alte Freundin getroffen, die seit einem halben Jahr in Hamburg lebt und arbeitet und noch keinen Freundeskreis hat. Bei mir war das durch mein Pferd (und den entsprechenden Stall) nie ein Problem Anschluss zu finden. Deshalb sehe ich wohl die “Anpassungsschwierigkeiten” auch nicht mehr. Ist aber auf jeden Fall ein sehr guter Punkt!
      Liebe Grüße von Maddie 🙂

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Maddie ist neben ihrem Job als Marketingmitarbeiterin, Fotografin und Bloggerin sehr gerne in der Natur unterwegs. Seit dem Sommer 2016 begleitet sie dabei ihr treuer vierbeiniger Weggefährte Barney. Sie liebt Ausblicke, Camping und idyllische Örtchen mit Charme.

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