Camp Canis, ein Bänderriss, der Hunsrück und ich
Auch wenn Canicross längst keine Extremsportart ist, wirken dabei mitunter enorme Kräfte auf den Körper – erst recht, wenn man mit einem zugstarken Hund läuft. Wie es dazu kam, dass ich jetzt mindestens 6 Wochen außer Gefecht gesetzt bin und warum ich mit Camp Canis noch eine offene Rechnung habe, erzähle ich dir in diesem persönlichen Beitrag.
Von Plänen und Träumen
Dass uns alle das Corona-Virus auf Trab gehalten hat, muss ich nicht noch extra erwähnen, oder? Trotz aller Einschränkungen freute ich mich Anfang 2022 riesig auf die ersten Recherchereisen und schmiedete eifrig Pläne mit meinen Auftraggebern. Mit der Nationalparkregion Hunsrück-Hochwald hatte ich bereits 2020 erfolgreich zusammengearbeitet und freute mich riesig, im Mai wiederkommen zu dürfen und neben traumhaft schönen Wanderungen auch zum ersten Mal beim Camp Canis teilzunehmen. Camp Canis ist ein Hindernislauf mit viel Wasser und Schlamm, der im Team gemeinsam mit Hund bewältigt wird. Es ist einfach ein großes Abenteuer für alle Zwei- und Vierbeiner, bei dem der Spaß an oberster Stelle steht. Die Event-Reihe hat mehrere Standorte in ganz Deutschland – im Hunsrück ist Camp Canis jedoch schon seit Jahren erfolgreich etabliert. Als ich mitbekam, dass “THE GAME” im April in den Oberharz kommen würde, war ich ebenfalls direkt Feuer und Flamme und wollte unbedingt dabei sein. Diese Art von Event ist nochmal krasser und schwer zu beschrieben. Es handelt sich um ein Abenteuerspiel mit Hund, das sogar über zwei Tage hinaus stattfindet. Letztendlich warf Corona meine Pläne über den Haufen. Zwar hatte ich zum Zeitpunkt des Events meine Infektion bereits überstanden, hinkte aber konditionell noch weit hinter meiner Normalform her, sodass ich mich schweren Herzens gegen eine Teilnahme entschied. Was blieb war die Vorfreude auf unsere Hunsrück-Reise Ende Mai…
Willkommen im Hun(d)srück
Die Nationalparkregion Hunsrück-Hochwald ist eine der hundefreundlichsten Regionen in ganz Deutschland. Auf mehr als 10.000 Hektarn erstreckt sie sich zwischen den idyllischen Weinanbaugebieten von Mosel, Saar und Nahe. Eine Woche wandern, erleben und genießen stand uns bevor. Am frühen Freitagnachmittag machten wir uns bei mehr als 30 Grad auf den Weg gen Südwesten. Unser Van Waldemar brauchte einige Zeit, bis er sich auf eine angenehme Innentemperatur herunterkühlen konnte. Für diesen Tag waren deutschlandweit starke Unwetter gemeldet. Der erste heftigte Wetterwechsel in diesem Frühsommer stand bevor. Uns traf das Gewitter bei Koblenz mit voller Wucht. Mitten auf der Rheinbrücke hatten wir keine Chance auszuweichen und waren den Hagelgeschossen schutzlos ausgeliefert. Nach zehn Minuten war das Spektakel vorbei und Waldemar war den ein oder anderen Hagelschaden reicher. Etwa eine Stunde später kamen wir in der Region rund um den Erbeskopf (mit 816 Metern die höchste Erhebung im Hunsrück und Rheinland-Pfalz) an. Sofort breitete sich ein wohliges Gefühl in mir aus und auch der Hundepapa meinte, dass es sich fast wie nach Hause kommen anfühlen würde. Ich gab ihm recht und lächelte. Kurz vor 20 Uhr erreichten wir den Campingplatz Moselhöhe in Heidenburg, der von einem sehr freundlichen niederländischen Ehepaar betrieben wird. Die 60 Plätze für Urlauber sind allesamt terrassenförmig angelegt. Zudem befinden sich Strom- und Wasserzugang sowie Möglichkeiten zur Abwasserentsorgung direkt am Platz. Schnell bezogen wir unseren Platz mit einer One-Million-Dollar-Aussicht über die Hügellandschaften des Hunsrücks. Eine kleine Abendrunde nach dem Essen konnte ich mir nicht entgehen lassen – zudem musste Barney noch wichtigen Geschäften nachgehen. An den Wegen rund um den Campingplatz befinden sich ausreichend Mülleimer und Hundekotbeutel, was absolut perfekt war.
Camp Canis und ein schnelles Ende
Mehr als zwei Vorbereitungsläufe waren vorab nicht drin und auch so fühlte ich mich eher schlapp als der sprichwörtliche fitte Turnschuh, aber ich war sowas von bereit auf diesen Tag: Meine allererste Camp Canis Veranstaltung stand bevor. Über meine liebe Bloggerkollegin Dina, die den wirklich sehr lesenswerten Outdoor-Hunde-Familienblog Borderherz betreibt, fand ich Einlass in ein tolles Mädels-Team, welches Barney und mich herzlich aufgenommen hat. Vorab haben wir schon unzählige Nachrichten ausgetauscht und uns nun am Event-Tag im kleinen Ort Horath das erste Mal live gesehen und kennengelernt. Dina, Cilja und Nicole habe ich direkt sympathisch gefunden und auch die Hündinnen der Drei waren ganz angetan von Barney (und der alte Charmeur von ihnen!). Das Warten auf Anmeldung, Vet Check und Start war echt sehr kurzweilig und es versprach ein richtig toller Lauf zu werden. Die tierärztliche Kontrolle bestand Barney wieder mit Bravour, obwohl er wie Espenlaub gezittert hat. Macht er bei unserer Tierärztin auch immer – einmal Sensibelchen, immer Sensibelchen! Richtig gut war, dass auch die Zuggeschirre der Hunde vernünftig (auf Zug) kontrolliert wurden. In Zeiten der zunehmenden Beliebtheit von Canicross und Zughundesport sehe ich leider so viele Hunde mit schlecht sitzenden Geschirren. Hier hätte man dann nicht starten dürfen…
Kennst du diese unbändige Aufregung voller Vorfreude direkt vor dem Start? Auch wenn wir schon auf vielen Rennen gestartet sind, hüpft mir jedes Mal das Herz in die Hose, im Bauch bereitet sich ein flaues Gefühl aus, das sich jedoch bei der Anmoderation kurz vor dem Start in einen Tumult aus tausend flatternden Schmetterlingen verwandelt. Genauso war es dieses Mal auch. Die Mädels und ich standen mit unseren fiependen und vor Freude hüpfenden Hunden am Start. Moderator Chris hat die Team-Vorstellung wirklich total individuell gehalten und – unterstützt von Organisatorin Melanie – für dauerhaft gute Stimmung gesorgt. In 3, 2, 1 – GO! Dann ging es auch schon los! Direkt mehr oder weniger elegant um die Kurve und rein ins erste Wasserbecken, das zur Belustigung der nachfolgenden Teams und Zuschauer direkt am Startbereich stand. Ein SUP gab es auch, aber ich wählte einfach mal direkt den Weg ins Nasse (je dreckiger, desto besser!). Barney sprang nach kurzem Paddeln wieder raus, weil es ihm scheinbar zu langsam vorwärts ging… Dabei verhedderte sich unsere Zugleine und der Panic Snap öffnete sich. Mein Hütehund nutzte die Gelegenheit und galoppierte schwanzwedelnd auf den Hundepapa zu, der ein wenig abseits der Strecke mit der Kamera auf dem Boden lag und diese Bilder für den Beitrag hier schoss… Chaotisch, vollkommen durcheinander und eine hervorragende Vorstellung unseres Könnens als alte Hindernislauf-Hasen. Aber auch das gehört dazu! Nach dem anfänglichen selbstauferlegten Hindernis fanden wir schnell in den Rhythmus und rannten mit einer Pace, bei der eine 2 davorsteht, bergab die Wiese herab und verschwanden aus dem Sichtfeld der Zuschauer.
Jedes Bergablaufen zieht meistens auch ein “Bergauf” nach sich und so kam es auch… Wir nahmen deutlich Tempo raus und freuten uns über das erste Hindernis. Es ging direkt auf die Knie und wir mussten auf allen Vieren durch einen Kasten mit unzähligen gespannten Schnüren klettern. Wie gerne hätte ich mir dafür einen Chihuahua gewünscht und wäre selber nur 1,20 Meter groß gewesen. Das war eine ordentliche Herausforderung, hat unserer guten Stimmung aber keinen Abbruch getan. Wir wurden auch nicht müde uns gegenseitig mit den GoPro’s zu filmen. Nachdem alle von uns durch waren, liefen wir weiter. Dafür, dass wir alle nicht sonderlich trainiert waren, ließ uns das Adrenalin echt schnell werden. Eine Ecke weiter wartete eine der legendären Camp Canis Rutschen auf uns. Die Helferinnen gaben uns ein paar letzte Tipps und Hinweise mit auf den Weg und dann hielt uns nichts mehr. Das war ein unglaublicher Spaß! Währenddessen ist auch eins meiner Lieblingsfotos aus allen Eventjahren entstanden.
Der “Wildwaldtraum” machte seinem Namen alle Ehre: Wir flogen über die schmalen Wiesentrails und liefen teilweise durch hüfthohes Gras. Bei 16 Grad und bewölktem Himmel war das super angenehm und die Hunde legten sich ordentlich in die Zuggeschirre. Rutsche Nummer Zwei war auch lustig, brachte aber nicht den richtigen Schwung wie die erste. Einzig Dina hatte den “Rutsch” raus und fand ihre eigene Beschleunigung. Von hier an ging es bergab in Richtung Wald. Wir hörten schon Lachen und Jubeln aus dem dichten Grün. Ich lief mit Barney an dritter Stelle und versuchte ein wenig zu bremsen, weil der Weg sehr eng, holprig und nass war. Barney ließ sich davon nur wenig beeindrucken und jagte den Hasen (Dina und Cilja) vor uns hinterher. Auf einmal ging alles ganz schnell. Ich knickte nach innen hin um und fiel über dem rechten Fuß nach hinten auf den Poppes. Ein stechender Schmerz durchzog meinen Körper und ich musste erstmal wieder versuchen zu atmen. Nicole hinter mir stoppte direkt und rief auch Dina und Cilja zurück. Ich versuchte den Fuß zu belasten, um weiterzulaufen, aber keine Chance! Es tat schrecklich weh und ich war den Tränen nahe. Die Mädels wollten bei mir bleiben oder mich zurück zum letzten Hindernis bringen, aber ich schickte sie weiter, damit sie den Lauf erfolgreich für mich mit beenden konnten. An der nächsten Station im Wald gaben sie Bescheid und schickten Hilfe zu mir. Auf allen Vieren krabbelte ich vom Weg ins hohe Dickicht und war immer noch unfähig den Fuß irgendwie zu bewegen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, was jedoch in Wirklichkeit nur ein paar Minuten waren, kam eine super liebe Helferin, die sofort Unterstützung anforderte. Leider war diese Stelle so ungünstig gelegen, dass ich nicht einfach so mit dem Auto abgeholt werden konnte. Schließlich standen Björn vom Hilfsdienst und Grille vom Camp Canis Team vor mir, mussten kurz Barneys Bellen ertragen und fingen sofort mit der Rettung an. Ich ließ Barney frei laufen, der sich dann auch beruhigte und zuließ, dass mich fremde Männer anfassten (gut fand er es nicht!). Halb hüpfend, halb tragend legten wir den schmalen Singletrail zurück, bis “nur noch” ein 300 Meter steiler Wiesenhang (Rutsche Nummer Zwei) vor uns lag. Grille fackelte nicht lange und nahm mich Huckepack, was mir unglaublich unangenehm war (hätte ich nicht noch schnell die 3 Winter-Kilos abnehmen können?), uns aber schneller vorankommen ließ. Das letzte Stück trugen mich Beide und setzten mich und Barney in den Laderaum des Sprinters, der von dort aus zum Glück wieder fahren konnte. Björn telefonierte mit dem Rettungsdienst, stellte mir einige Fragen und hielt das Gespräch aufrecht. Mein Kreislauf schien ein wenig abzusacken während der holprigen Fahrt. Auf dem Eventgelände nahm mich das dortige Rettungsteam gleich in Empfang, wickelte mich in eine Jacke und kühlte den Fuß. Der Hundepapa wurde über die Moderation ausgerufen und stand kurz darauf plötzlich vor mir, um Barney abzunehmen. Melanie kam ebenfalls direkt zu mir, drückte mich herzlich und überreichte mir ein Trost-Armband mit den Worten “Aufgeben ist keine Option”. Ich war fix und fertig, Tränen liefen mir über die Wangen und ich nahm alles nur sehr verschleihert wahr.
Mit dem RTW wurde ich mit Verdacht auf Fraktur schließlich ins Krankenhaus nach Birkenfeld gefahren und traf in der Notaufnahme prompt auf Karsten Kröger, einen der Camp Canis Fotografen. Auch er war umgeknickt, aber mit dem linken Fuß. Inzwischen waren meine Lebensgeister wieder erwacht und wir unterhielten die ganze Notaufnahme. Die Schwestern nahmen uns als willkommene Abwechslung wahr und versuchten die Abläufe so gut es ging zu koordinieren. Allerdings haben mich die Zustände wieder mal schockiert. Die junge Frau beim Röntgen war seit 20 Stunden im Einsatz und trotzdem noch unglaublich lieb und engagiert. Die Schwestern auf Station mussten sich laut vor allen Patienten vom Oberarzt anschnauzen lassen. Mich hat das richtig wütend gemacht. Es muss sich dringend was tun im deutschen Gesundheitssystem! Der Arzt in der chirurgischen Notaufnahme meinte trocken zu mir: “Nix gebrochen. Wenn Sie in drei Tagen noch Schmerzen haben, gehen Sie zum Hausarzt. Hier sind ein paar Ibu und was für den Magen.” Ich fragte ihn, ob irgendwas mit den Bändern sein könnte, weil der ganze Fuß blau und geschwollen war. “Ja, das können auch die Bänder sein, aber das sehe ich auf dem Röntgenbild nicht. Dazu müsste man ein MRT machen. Sie kriegen jetzt einen Zinkverband und dürfen gehen.” Schön! Immerhin wurde ich im Rollstuhl bis zum Ausgang geschoben und musste von da auf einem Bein raushüpfen. Krücken hat nur der Karsten bekommen – wahrscheinlich hatten sie für mich keine mehr übrig…
Bänderrisse und Zwangspause
Wir entschlossen uns noch eine Nacht auf dem Campingplatz Moselhöhe zu bleiben. Die Rückfahrt am Sonntag war furchtbar. Der Fuß hat trotz Schmerzmittel sehr weh getan und ich lag zwischendurch bewegungsunfähig hinten im Bett. Wieder zuhause kontaktierte ich meinen Hausarzt, eine chirurgische Praxis und wurde dann nachdem der Fuß auch nach 6 Wochen nicht besser wurde, ins MRT und CT geschickt, wo rauskam, dass tatsächlich mehrere Bänder gerissen, ein paar andere überdehnt und im Mittelfußbereich einige Läsionen bzw. starke Prellungen vorhanden waren. “Bis alles richtig verheilt ist, kann es durchaus ein halbes Jahr dauern”, meinte der Chirurg trocken zu mir. Nun stecke ich mehr oder weniger fest in dieser Phase zwischen Schonung und Aufbruch, bin inzwischen schon mal wieder fast 6 Kilometer am Stück gegangen und versuche aktuell einen guten Mittelweg aus Belastung und ausreichender Ruhe zu finden. Meine Orthese, die Bänder und Sehnen stabilisieren soll, trage ich weiterhin tagsüber und werde auch in Zukunft bei sportlichen Aktivitäten ohne Knöchelschutz nicht mehr aus dem Haus gehen. An Sport denke ich aktuell noch gar nicht, sondern freue mich über jede größere Hunderunde, die ich relativ schmerzfrei gehen kann. Fakt ist: Camp Canis, wir haben da noch eine Rechnung offen…
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