Rundwanderweg Scheeptal: Der eindrucksvolle Unbekannte
Der Regen tropft von meiner limettengrünen Kapuze. Plitsch… Plitsch… Plitsch… Dunkle Wolken hängen tief am Himmel, Nebelschwaden begleiten mich durchs Tal. Ich wickele meinen Schal enger um den Hals. 8 Grad und Dauerregen am Karfreitag: Passendes Wetter, um sich in diesen Tagen zu besinnen. Aber auch passend für eine Wandertour? „Auf jeden Fall“, brummele ich tief in mich hinein. Nachdem ich fast zwei Wochen lang jeden Tag im dunklen Großraumbüro verbracht habe, musste ich einfach raus. Egal bei welchem Wetter.
Ich bin auf dem Rundwanderweg Nr. 15 im Scheeptal zwischen Astfeld/Herzog-Juliushütte, Wolfshagen und Langelsheim unterwegs. Der Weg soll 7 Kilometer lang sein. Perfekt also für dich, wenn du nach der Arbeit noch mal eine Runde raus möchtest. Das Gute an einem Rundweg ist, dass man von überall bequem einsteigen kann. Ich entscheide mich für den großen Wanderparkplatz am Fuße der Granetalsperre in Herzog-Juliushütte. Gleich zu Beginn führt mich der Weg quer über das Gelände der Harzwasserwerke. Rechts von mir plätschert das Wasser in Kaskaden eine kleine Brunnenanlage hinab. „Nicht noch mehr Wasser“, denke ich mir und stapfe weiter über den Hof.
Nachdem ich die Harzwasserwerke hinter mir gelassen habe, kehrt Ruhe ein. Ich atme tief ein und fühle mich frei. Ich bin wieder unterwegs. Mich umgibt die Natur des Harzes und der Regen stört mich überhaupt nicht mehr. Auf meiner linken Seite liegt die Granetalsperre. Dieser Ausblick begleitet mich ein Stück. Ich beobachte die Wolken über dem Wasser. Sie hängen an den Tannen fest. Das Grau des Himmels vermischt sich mit der Farbe des Wassers. Es ist eine geheimnisvolle Stimmung. Mir scheint es so, als bräuchte die Natur auch mal eine Pause. Sie nimmt sich die Zeit zum Durchatmen, bevor der Frühling alle Kraft von ihr fordert. Ähnlich wie bei mir.
Die asphaltierte Forststraße verzweigt sich schließlich nach etwa zwei Kilometern. Ich folge dem Weg Nummer 15, der nun ein wenig unebener wird. In diesem Bereich entdecke ich einen umzäunten Platz, auf dem Forstarbeiter oder Freiwillige junge Bäume gepflanzt haben. Es ist schön zu sehen, dass es scheinbar noch viele Menschen gibt, die die Natur achten und respektieren. Ich erinnere mich an die Begegnung mit einer Revierleiterin, die ich für einen Zeitungsartikel interviewt habe. Sie erzählte mir, dass der Harz ursprünglich fast ausschließlich nur aus Nadelwald bestand und es nun die Aufgabe der jüngeren Generationen ist, genügend Laubbäume zu pflanzen, damit ein ausgewogener Mischwald entsteht. Diese Waldform soll besonders vielen Tieren Schutz bieten. Es wäre schön, wenn alle Menschen so ein großes Natur- und Umweltbewusstsein hätten.
Der nasse Schotter knirscht unter meinen braunen Wanderschuhen. Stets begleitet mich das Tropfen des Regens auf Jacke und Rucksack. Ich spanne meinen Schirm auf und lausche dem Geräusch. Es ist schon ziemlich eigenartig so ganz alleine unterwegs zu sein. Beinahe fühlt es sich wie Pilgern an. Besonders an so einem Tag wie heute. Der Rythmus meiner gleichmäßigen Schritte wirkt beruhigend und lässt meine Gedanken kurzzeitig abschweifen. Ein paar Singvögel stimmen die ersten Takte des Frühlings ein. Der Wald ist eine kleine Welt für sich. Danke, dass ich hier sein darf.
Mit jedem Schritt wird mir bewusst, warum meine Nummer 15 „Rundwanderweg Scheeptal“ heißt. Es geht kontinuierlich bergab. Mir kommt eine Gruppe von Wandersleuten entgegen. Wir tauschen ein freundliches „Hallo“ und ein Lächeln. „Noch so Verrückte, die bei dem Wetter unterwegs sind“, denke ich. Immer weiter komme ich ins Tal. Etwa 100 Höhenmeter rechts unterhalb von mir sehe ich einen weiteren breiten Forstweg. Der wird mich wieder zurück in Richtung Parkplatz bringen. Der Rundweg macht nach etwa 4 Kilometern eine Kehrtwendung und es geht in etwa die gleiche Richtung wieder zurück. Zuvor mache ich allerdings an einer Schutzhütte kurz Rast. Das Wasser in meiner Trinkflasche ist sehr kalt, erfrischt aber gut. Ich setze meine Kapuze ab und stelle mich kurz unter das Dach der rustikalen Holzhütte. In die entgegengesetzte Richtung geht es nach Wolfshagen. Vielleicht gehe ich da mal im Sommer hin. Ich will weiter und schlage den Weg mit der Nummer 15 im roten Dreieck ein. Ich treffe auf eine Frau mit einem Golden Retriever. Wie ich auch, hat sie die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und bringt ihrem Vierbeiner ein paar Übungen bei. Als wir uns nett zugrüßen, zieht der Hund schwanzwedelnd in meine Richtung. Er will spielen. Sie hält ihn zurück und jeder von uns geht in seine Richtung weiter.
Es wird ein wenig heller. Ich komme zu einer Lichtung und habe plötzlich nur noch auf der rechten Seite Wald. Gut, dass ich meinen Schirm dabei habe. Mittlerweile ist er klitschnass, leistet mir aber weiterhin treue Dienste. Hier, auf freiem Feld, muss ich auf den Schutz der Fichten verzichten. Dafür eröffnet sich mir eine herrliche Aussicht. Über grüne Wiesen blicke ich bis nach Langelsheim, Astfeld und Herzog-Juliushütte. In der Ferne sehe ich mehrere Reiter, die mit ihren Pferden unterwegs sind. Die Menschen sind in Regenponchos gehüllt. Auf der Wiese neben ihnen spielen zwei Hunde. Es kommt mir so vor, als können viele den Frühling gar nicht mehr abwarten.
Der Weg wird immer schlechter. Ich stapfe vor mich hin und versinke mit jedem Schritt im Matsch. Forstarbeiter sind hier anscheinend mit ihren Rückefahrzeugen langgefahren und haben deutlich ihre Spuren hinterlassen. Der untere Teil meiner Hose ist matschig. Langsam werden auch meine restlichen Klamotten leicht klamm – zumindest kommt es mir so vor. Ich beeile mich, dass ich hier weg komme. Ein paar hundert Meter weiter wird der Weg wieder befestigter. Allerdings höre ich hier die Autos auf der Schnellstraße zwischen Goslar und Langelsheim. Das ist etwas schade, denn mit der Ruhe und Besinnlichkeit ist es damit leider vorbei. Auf der Anhöhe mit Blick auf die Orte waren die Geräusche noch weiter entfernt und ich war froh, so abgeschottet und weit weg zu sein. Aber nun ist es wirklich nervig. Ich beschleunige meine Schritte und kämpfe mich die letzten Meter in Richtung Herzog-Juliushütte. Vor mir tauchen die ersten Häuser auf und ich weiß wieder, wo ich bin. Der restliche Weg zum Wanderparkplatz führt mit konstanter Steigung hinauf durch das Dorf. Es ist menschenleer, nur ein paar Autos kommen mir entgegen. Ich kann jeden verstehen, der es sich zuhause gemütlich macht. Langsam, aber stetig erreiche ich das Höhenniveau der Granetalsperre. Von Weitem sehe ich mein Auto, seufze glücklich und weiß: „Ich bin wieder hier!“
Die Tour im Überblick:
Strecke: 7,8 km
Rundweg: ja
Dauer: 1 Stunde, 25 Minuten
Schwierigkeit: leicht-mittel
Höhenmeter: 140 rauf und 150 runter
Harzer Wandernadel: leider keine Stempelstelle auf dem Weg
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